Österreichs Botschaft hat einen Betrüger als Anwalt vermittelt, der seine Klienten geschädigt haben soll.
Von Gerd Millmann
Erschienen in DIE ZEIT Nr. 47/2012 vom 15. November 2012
Das Urteil im Mordprozess war vernichtend: schuldig! Der Salzburger Intensivmediziner Eugen Adelsmayr soll 2009 im Rashid-Hospital in Dubai einen querschnittsgelähmten Patienten durch unterlassene Hilfeleistung und eine hohe Dosis Morphium getötet haben. Im Oktober 2012 wurde er dafür in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zu lebenslanger Haft verurteilt. Der 53-Jährige spricht von einer Verschwörung gegen ihn; und wer weiß, vielleicht wäre er noch immer ein unbescholtener Mediziner, hätte er nicht auf Anraten der österreichischen Vertretungsbehörden Mohammed Kawadri zu seinem Rechtsbeistand bestellt.
Der Syrer Kawadri hat seinem Mandanten vor Gericht mehr geschadet als geholfen, wie Adelsmayr in seinem Buch Von einem, der auszog (Seifert Verlag) erzählt. Noch schlimmer: Der vermeintliche Anwalt ist gar keiner, wie das Justizministerium der Emirate bestätigt. Sein Doktortitel, den er angeblich an einer bayerischen Universität erworben hat, ist erfunden. Er besitzt lediglich eine Lizenz als Sanitärhändler und verkauft unter anderem Toiletten.
Als Adelsmayr davon erfuhr, entzog er Kawadri die Vollmacht. »Das war ein noch größerer Fehler, als ihn zu beauftragen«, sagt Ingvild Moritsch, eine Wiener Anwältin, die in den Arabischen Emiraten arbeitet und Kawadris Machenschaften aufdeckte. Nun hatte Adelsmayr einen neuen Gegner: Kawadri selbst, der über ein eng geknüpftes Netzwerk im Wüstenstaat verfügt. Sogar der Hauptbelastungszeuge gegen den Österreicher, ein syrischer Arzt, war ein Bekannter Kawadris. »Die Verurteilung war danach nur logisch«, sagt Moritsch. Adelsmayr blieb das Gefängnis erspart, weil er bei der Urteilsverkündung in Österreich weilte.
Doch der Arzt ist nicht das einzige Opfer des falschen Advokaten. Die lange Liste der Vorwürfe richtet sich nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen die österreichische Botschaft in Abu Dhabi und das Außenministerium in Wien. Vermittelt wurde Kawadri nach Aussagen mehrerer Betroffener von Gerhard Dedic, dem damaligen österreichischen Konsul in den Emiraten. In Gesprächsprotokollen, die der ZEIT vorliegen, bezeichnet Dedic Kawadri als »Anwalt« und empfiehlt seine Dienste auch in E-Mails. Das Verhältnis zwischen den beiden soll freundschaftlich gewesen sein.
Warum empfiehlt das österreichische Konsulat Landsleuten in Not einen Hochstapler? Weil man sich erst nach heftigen Beschwerden nach den Befähigungsnachweisen von Kawadri erkundigt habe, lautet eine Antwort des Außenministeriums. Und man habe Kawdari auch nie als »Vertrauensanwalt namhaft gemacht«. Trotzdem hat der Sanitärhändler Kawadri eine Vollmacht der Botschaft vom Juni 2010, die ihn als »Legal Advisor« ausweist; unterschrieben von Konsul Dedic. »Kawadri geht immer nach demselben Muster vor«, sagt Anwältin Moritsch: »Er lässt sich Vollmachten geben, deren Text auf Arabisch verfasst ist. Die Opfer glauben, es handele sich um reine Gerichtsvollmachten, dabei sind es aber Generalvollmachten.«
Auch der österreichische Immobilienunternehmer Ferdinand Jordan unterschrieb so ein Papier. Ihm wurde 2007 von einem Geschäftspartner in den Emiraten Betrug vorgeworfen. Nach fünfmonatiger Haft wurde er von allen Vorwürfen freigesprochen. Kawadri habe in der Zwischenzeit, ausgestattet mit der Vollmacht, seine Firma verkauft, beklagt Jordan. Nach einer Beschwerde beim Außenministerium wurde einzig ein Gespräch mit Dedic angeboten – das Jordan aus verständlichen Gründen ablehnte.
Ein deutscher Unternehmer, dem Kawadris Dienste von der deutschen Botschaft angeboten wurden, behauptet, dass seine Firma und sein Hotel verkauft worden seien, während er unschuldig im Gefängnis gesessen habe. »Ich habe in der Ohnmacht des Gefängnisses nichts dagegen machen können«, erzählt der 51-Jährige. Der deutsche Diplomat, mit dem Kawadri zusammengearbeitet haben soll, wurde 2011 wegen des Vorwurfs der Schlepperei in Berlin verhaftet.
Auch an den Pässen, die er seinen Klienten abnahm, verdiente der vermeintliche Anwalt und soll sie laut Ingvild Moritsch,verwendet haben um Einreisevisa für die Emirate zu besorgen. Er selbst bestreitet das in E-Mails, die der ZEIT vorliegen, gar nicht. Gerüchten zufolge sollen damit sogar Prostituierte ins Land geschleust worden seien. Kawadri meint dazu lediglich, darüber könne er nichts wissen.
Der Syrer Mohammed Kawadri verschleiert seine wahre Identität gern. Viel ist über ihn nicht bekannt, nicht einmal sein genaues Alter. Verschiedenen Urkunden zufolge ist er zwischen 61 und 73 Jahre alt. Er sei bereits 1998 für das österreichische Konsulat tätig geworden, seit 2008 habe ihm Konsul Dedic die Aufträge dafür schriftlich erteilt.
Mittlerweile laufen in den Emiraten zwei Dutzend Verfahren gegen den Sanitärhändler. In erster Instanz ist er wegen Betrugs zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Das österreichische Außenministerium hat die Zusammenarbeit mit ihm nach Berichten der Tageszeitung Kurier beendet. Interne Ermittlungen gegen Gerhard Dedic wurden ebenso eingestellt wie jene der Justiz wegen Betrugs und Untreue.
Österreichs Botschafter in den VAE, Julius Tauritsch, wurde diesen Sommer nach Wien zurückbeordert. »Turnusgemäß«, wie das Ministerium beharrt, obwohl er noch nicht einmal drei der üblichen vier Jahre im Amt war. Auch Konsul Gerhard Dedic wurde von seinem Posten in dem Wüstenstaat abberufen. Er arbeitet heute als Referent in der Abteilung für Informationsvermittlung, Dokumentation und Wissensmanagement, dem Archiv des Außenministeriums in Wien.
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT, Österreich Ausgabe 47/2012 vom 15. November 2012.
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