Warum Mayr-Melnhof die Konkurrenz in aller Welt einpackt. Ein Gespräch mit Wilhelm Hörmanseder.

Wilhelm Hörmanseder, © Mayr-Melnhof Karton AG

Wilhelm Hörmanseder, © Mayr-Melnhof Karton AG

Wilhelm Hörmanseder ist viel mehr Vorstandsvorsitzender als Manager. Im dunkelholzgetäfelten gediegenen Ambiente der Konzernzentrale im vierten Wiener Gemeindebezirk wirkt der Mann mit akkurat sitzendem dunklen Anzug und Krawatte wie aus der Zeit gefallen. Er wirkt solide. Solide ist auch seine wirtschaftliche Visitenkarte. Der bis 2019 wiederbestellte Konzernchef führt den Karton-Riesen Mayr-Melnhof im digitalen Zeitalter regelmäßig zu Gewinnen:

„Wir haben in den 1980er und 1990er Jahren die europäische Kartonindustrie konsolidiert. Viele Fabriken gekauft, viele Maschinen abgebaut und alle Marktvolumina, die wir kauften, auf unsere „Rennpferde“ umgelegt. Die Kosten pro Tonne sind natürlich in einem größeren Standort anders als in einem kleinen.

Wir waren Anfang der 1980er Jahre der viertgrößte und seit 1995 sind wir schließlich Nummer eins in Europa. Wir haben 1990 mit dem Ausbau der Kartonweiterverarbeitung begonnen und einen industriellen Approach eingeschlagen. Man fängt nicht mehr am Montag in der Früh an und hört am Freitag um 14 Uhr auf. Bei uns läuft heute die Hälfte der Fabriken 24/7.

1994 haben wir im Packaging als Zwerg begonnen sind wir heute drei Mal so groß wie der Zweitgrößte in Europa. Aber auch in der Kartonerzeugung sind wir bei weitem die Größten. Unsere Dividendenrendite liegt zwischen zwei und drei Prozent, alle zehn Jahre zahlen wir eine Sonderdividende. So sind wir eine Aktie, zu der man sagt ,kaufen und vergessen‘. Uns kauft man nicht, um rasch Geld zu verdienen, aber es gibt uns sicher noch in 20 Jahren.“

Der 62jährige strahlt eine wirtschaftliche Unbeirrbarkeit aus, die an einen erfahrenen Kapitän zur See erinnert. Hörmanseder ist unternehmerisch seegegerbt. Er hat die Untiefen und Fallwinde seines Genres alle erlebt und überlebt:

„In 2008 hatten wir zwei Monate lang keine Aufträge, es hat damals so ausgesehen, als ob die Welt unterginge. Ich habe dann alle Betriebsräte gerufen, ihnen die Lage erklärt und gesagt: ,Wir schließen jetzt einen Pakt. Wir zeigen jetzt in dieser sehr schwierigen Situation Loyalität, wir werden niemanden entlassen. Wir wünschen uns aber von der Belegschaft und den Betriebsräten die unlimitierte und über alle arbeitsrechtlichen Grenzen hinausgehende Flexibilisierung der Arbeitszeit.‘
Die Betriebsräte waren einverstanden und sagten ,so machen wir das‘. Wir haben also die Leute heimgeschickt, Urlaub auf Vorgriff konsumiert, sind in Minusstunden gegangen, dass es nur so gerauscht hat. Aber irgendwann erholte sich die Situation und wir sind wieder auf die Gerade gekommen.

Was tut man in einer Krise? Man investiert nichts, man arbeitet eigentlich krisenverstärkend. Wir hatten also 2008 einen Durchhänger, waren aber schon 2009 wieder in der Spur. Dafür wurden wir in der NZZ und in der FAZ als das in der Krise bestgeführte österreichische börsenotierte Unternehmen unter Familieneinfluss ausgezeichnet. By the way, diese Auszeichnung haben wir jetzt das 5. Mal in der Folge bekommen.“

Hörmanseder ist seit 14 Jahren CEO. Seit 1990 arbeitet er bei Mayr-Melnhof. Und das mit 100prozentigem Einsatz. Die logische Konsequenz: Er und die anderen Vorstandsmitglieder haben weder Zeit noch Muße, sich bei Industriellenvereinigung oder in Aufsichtsräten zu engagieren. Die Sicherheit des Konzerns geht vor.

„In jeder Bilanz jedes Landes gibt es nur die Landeswährung, wir haben in keiner Bilanz fremde Währung, in der türkischen Bilanz also nur die türkische Lira, in der russischen nur den Rubel usw. Das heißt, aus der Bilanz selber heraus gibt es nie einen Kursverlust.

Als Sicherheitsfanatiker haben wir auch keine einzige Kundenforderung, die unversichert ist. Es gibt nur eine einzige Person, die hier eine Ausnahme machen kann, und das ist der jeweilige CEO. Wenn jemand die Ware abholt und in diesem Augenblick das Limit nicht da ist, dann fährt der LKW nicht weg. Daher haben wir nur Ausfälle in Höhe von 0,0 etwas. So wie hier gibt es bei uns einige grundsätzliche Sperrlinien und über die man nicht drüber fährt.“

Hörmanseder ist der erste „familienfremde“ Vorstandschef. Und er genießt das volle Vertrauen der Familie MM. Diskretion spielt dabei eine selbstverständliche Rolle. Seine Tochter Marina hingegen arbeitet in der schrillen Welt der Modebranche: www.marinahoermanseder.com
Sie kleidet als Designerin unter anderem Lady Gaga ein. Kreativität ist auch dem Herrn Papa nicht fremd. Er zeigt sie aber im engen Korsett der Kartonproduktion.

„Die Branche investiert in Forschung und Entwicklung gegen null. Wir aber haben ein großes Forschungszentrum in Fronleiten, das kostet uns im Jahr einige Millionen Euro. Dort haben wir die besten Leute, die besten Ideen und die besten Geräte der Welt. Das ist natürlich keine Grundlagenforschung. Zum Beispiel haben wir den berühmten Karton, der den verpackten Lebensmitteln Schutz gegen alle Einflüsse von außen angedeihen lässt, hier entwickelt. Das hat uns ganz schön viel Geld gekostet. Mehrere Millionen haben wir in die Entwicklung gesteckt und 50 Millionen in Maschinen. Aber dadurch gelingt uns der entscheidende Vorsprung und diese 50 Millionen möchten wir gerne in drei Jahren wieder zurück haben.

Wir arbeiten auch an einem großen Projekt, bei dem wir die Bedruckbarkeit der Oberfläche so verändern, dass der Karton in der Druckmaschine schneller laufen kann. Da hat der Kunde etwas davon.

Für mich ist wichtig, sicher sein zu können, nichts zu versäumen. Dass mir nicht ein Konkurrent in einem Jahr mit etwas kommt, wo mir der Mund offen stehen bleibt. Daher gilt es: immer zu schauen, ob sich etwas tut, und niemals zweiter zu sein. Hier zeigt sich auch, dass mein Technikstudium doch keine Fehlinvestition war.“

Das komplette Interview von Gerd Millmann mit Wilhelm Hörmanseder finden Sie unter http://www.aufderueberholspur.at/files/interviews/Hoermanseder.pdf.

Mehr Gespräche mit Wirtschaftskapitänen bietet das Buch „Auf der Überholspur“.

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