Christian Konrad war viele Jahre lang das Fleisch gewordene Symbol Raiffeisens. Ein Besuch nach der Übergabe des Erbhofs.

Christian Konrad. Foto: Franz Johann Morgenbesser@Wikipedia.

Christian Konrad. Foto: Franz Johann Morgenbesser@Wikipedia.

Christian Konrads Büro ist atemberaubend – konkret der Ausblick aus dem obersten Geschoss der Raiffeisenzentrale am Donaukanal. Die Häuser und Dächer der Inneren Stadt stapeln sich von hier aus wie Legosteine aneinander. Es ist das Hochhaus, das dem Stephansdom am nächsten ist. Eine Verbindung, die auch durch das Kreuz an der Wand herausgestrichen wird. Nicht umsonst war der Mann jahrelang Vorsitzender des Vereins „Unser Stephansdom“.

„Gelobt sei Jesus Christus“. Mit diesen Worten beendet er traditionell Telefongespräche mit Dompfarrer Toni Faber, wie dieser zu berichten weiß. Der umtriebige Faber weiß aber auch, dass Konrad ein Mann mit Handschlagqualität ist. „Er hat alles eingehalten, was wir ausgemacht haben. Und er ist vor allem nicht nachtragend.“ Faber bezieht sich auf folgende Episode: Anfangs der Nullerjahre wurde der Dom eingerüstet. Eine riesige Plane deckte das Gerüst ab und bot eine herrliche Gelegenheit für großflächige Werbung. Die Ausschreibung gewann ausgerechnet Gewista, die SP-nahe Plakatfirma. Es folgte ein für Faber völlig überraschender Beschwerde-Anruf Konrads. Er hätte lieber gesehen, wenn eine ihm näher stehende Firma zum Zug gekommen wäre. „Aber beim nächsten Treffen hat Konrad nur gemeint: ,der Dompfarrer sitzt neben mir‘, damit war sein Groll beendet und wir hatten seither ein ausgezeichnetes Auskommen“, erinnert sich Faber.

Nicht nachtragen, aber machtbewusst. So schätzen viele den ehemals einflussreichsten Manager Österreichs ein. Heute tritt er leiser als früher. Der Erbhof ist übergeben. Im August 2015 war er überraschend zum Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung ernannt worden. Seitdem zeigt er mehr von seiner menschlichen Seite. Dabei war laut seinem eigenen Dafürhalten auch sein vorheriges Wirken der Allgemeinheit gewidmet:

„Die Raiffeisenkassen am flachen Land halten neben ihrer Finanzierungsfunktion das gesellschaftliche Leben aufrecht. Es gibt keinen lokalen Sportverein, kein Schülerorchester, keinen Dirndl- oder Feuerwehrball, der nicht mit unserer Unterstützung passiert. Aber nicht, weil wir das bewerben wollen, oder damit man uns kennt. Die kennen uns ohnehin alle. Wir machen das, damit diese Veranstaltungen stattfinden können. Das Geld, das wir verdienen, setzen wir lokal ein, wir spekulieren damit nicht in Australien. Wir wollen keine Reichtümer scheffeln.“

Irritierend für Städter ist das Hirschgeweih, das sich in den Luftraum des Konrad-Büros bohrt. Die Trophäe hat mehr als symbolischen Charakter. Wenn der hemdsärmelige Manager von seinem „Hochstand“ am Friedrich-Wilhelm-Raiffeisenplatz aus den Horizont absucht, dann landet sein Blick beim Schneeberg. Städter assoziieren mit dem Wiener Hausberg Wandern, Hochquellwasser und Schwammerlsuchen, Konrad denkt an Jagdrevier, Wildbestand und Gamsjagd. Der Mann war bis 21 Jahre lang oberster Jäger Niederösterreichs – Landesjägermeister. 2012 übergab er diesen Titel geordnet an Josef Pröll:

„Vor meiner Wahl zum Landesjägermeister hatte ich zwei Mitbewerber, einen Abgeordneten des Bauernbundes und einen Abgeordneten des ÖAAB. Die Politik war der Meinung sie müsse den Landesjägermeister aussuchen. Aber in der Jägerschaft gab es viele die meinten, der Christian Konrad ist ein Manager bei Raiffeisen, der kennt sich aus. Ein wichtiges Thema bei der Jagd und den Jägern war die Öffentlichkeitsarbeit. Früher hat man gesagt: ,Nichtjäger sind auch Menschen.‘ Mein Zugang: ,Auch Jäger sind Menschen (und machen Fehler)‘. Ich hatte zwei Gegenkandidaten und bin im ersten Wahlgang von den 140 Jägern mit 55 Prozent gewählt worden. Das war überraschend. Ich habe beide zu meinen Stellvertretern vorgeschlagen, als ersten Rudi Schwarzböck, den Landwirtschaftskammerpräsident. Bei der nächsten geheimen Wahl habe ich 99 Prozent bekommen.“

Christian Konrad war bis 2012 der wahrscheinlich mächtigste Manager des Landes. Als „Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes“ herrschte er über ein flächendeckendes Imperium an Banken, Versicherungen, Agrarindustrien, Baukonzernen und Medien. Bis Ostsibirien reichten die Aktivitäten des Managers aus Laa an der Thaya. Konrad herrschte auch über die Molkereiwirtschaft in Österreich:

„Auch in der Landwirtschaft war man der Meinung, man müsse standortbezogene Nachteile ausgleichen. Paradebeispiel Milchwirtschaft: Man kann in Ostdeutschland eine große Molkerei hinstellen und die Kühe füttern. Die Milch wird billiger und rationeller erzeugt als in den Alpen, wo sie viele Kilometer weit transportiert werden muss. Das hat aber alles seinen Preis. Die Milch wird subventioniert, damit der Bauer dort leben kann und dieses Land erhält, sonst wachsen Fichten und Föhren darüber.
Die österreichischen Milchbauern werden das auch schaffen, da bin ich überzeugt. Sie werden sich umstellen müssen und es wird Mittel und Wege geben, das zu organisieren. Dasselbe gab es ja auch im Weinbau. Die durchschnittliche Betriebsgröße lag dort bei 0,3 Hektar, da konnte es keinen nachhaltig guten Wein geben. Heute sind die österreichischen Weinbauern sehr erfolgreich.“

Konrads Sprache ist bewusst bäuerlich gehalten. Er würzt Erzählungen über Aktiengänge, Kapitalerhöhungen und Facilitygeschäfte mit landwirtschaftlichen Ausdrücke wie „arrondieren, säen und ernten“. Absichtsvoll, wie es scheint, um den Bogen von seiner ländlichen Herkunft zum krawattengeprägten internationalen Business zu schlagen. Konrad kann hart durchgreifen, wenn er es für richtig hält. Er scheint dabei mit sich im Reinen. Geschieht das doch für das höhere Wohl und nicht um seiner Willen:

„Bei Personalentscheidungen, die wir getroffen haben, haben wir auch Glück gehabt. Das braucht man, denn Personalentscheidungen sind am schwierigsten. Es sind nur ganz wenige danebengegangen und bei denen habe ich nicht ewig zugeschaut. Ich habe manchmal drei Nächte schlecht geschlafen, denn einen Generaldirektor oder einen Chefredakteur zu ersetzen habe ich mir nicht leicht gemacht. Aber dann wusste ich auch, wer der Nachfolger wird.“

Konrad weiß um seinen Ruf als Macher. Er kann sich leger in seinen Drehstuhl zu fläzen und strahlt dennoch höchste Konzentriertheit aus. Seine Antworten kommen bestimmt manchmal rasch, manchmal nach wirkungsvoller Nachdenkpause. Als Jäger weiß er, wann der rechte Augenblick gekommen ist, um abzudrücken. Konrad wirkt in sich ruhend. Das mag seinem Glauben geschuldet sein. Die weltliche Dreifaltigkeit Konrads heißt jedenfalls Bauernbund, Raiffeisen, Landwirtschaftskammer:

„Ich bin einer der letzten, der den Stellenwert dieser Dreierkonstellation schätzt. Ich habe sie immer unterstützt, wenn auch ganz klar unter dem Aspekt, dass Raiffeisen viel mehr ist als Landwirtschaft. Aber ich habe mich zum Bauerntum bekannt und ich habe mich zur Kammer bekannt. Ich habe immer gesagt ,wir müssen mehr miteinander reden.‘ Diese Gespräche haben manchmal dazu geführt, dass die Politiker auf unsere Agrarmanager losgegangen sind und nur geschimpft haben, dass die Preise nicht stimmen. Meiner Meinung nach sollten strategische Fragen geklärt werden, aber nicht lokale Fehler. Meine Haltung zur Landwirtschaft wurde mir mit dem Titel Ökonomierat belohnt – ich habe mich sehr gefreut!“

Als Verabschiedung gibt es kein „Gelobt sei Jesus Christus“, sondern ein „Grüß Gott“ des Herrn Ökonomierates. Er wird seine Funktion als Füchtlingskoordinator zwar mit September 2016 beenden, aber er wird auf seine alten Tage mit 73 sicher nicht endgültig „ins Ausgedinge“ gehen.

Das komplette Interview von Gerd Millmann mit Christian Konrad finden Sie unter http://www.aufderueberholspur.at/files/interviews/Konrad.pdf.

Mehr Gespräche mit Wirtschaftskapitänen bietet das Buch „Auf der Überholspur“.

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