Die Wiener Wirtschaftskammer will eine Privatklinik daran hindern, Geld zu verdienen. Aber sie hat sich dabei mit einem Mann angelegt, der sich jede Auseinandersetzung leisten kann.

Von Gerd Millmann

Erschienen in DIE ZEIT Nr. 15/2016, 31. März 2016

Walter Grubmüller tätschelt stolz ein mannshohes Aquarium. „So etwas gibt es in ganz Europa kein zweites Mal“, sagt er. Am Boden ist ein Laufband angebracht, der Mann mit dem dichten schwarzen Haar legt seine Krücken beiseite, drückt zwei Mal auf ein Manual in Kopfhöhe, und flugs sprudelt lauwarmes Wasser aus Bodendüsen des 100.000 Euro teuren Geräts. „Das Wasser kann bis zur Brust hoch steigen, damit auch Hüftoperierte zur Physiotherapie ihr Gehtraining machen können“, erklärt der 63-Jährige.

Doch derzeit macht nur Grubmüller selbst seine Übungen im Wasser, nach einer Sprunggelenks-OP. Denn ein Geflecht aus Politik und Behörden, allen voran die Wirtschaftskammer, würde ihn daran hindern, mit seinem Privatkrankenhaus Geld zu verdienen, klagt er.

Grubmüller ist ein ehemaliger Speedway-Profi. Der Sport lässt ihn bis heute nicht los, die Fußverletzung stammt von einem Unfall bei einem Wettkampf. Der Mann mit dem urwienerischen Idiom hat einst ein Sportwetten-Imperium hochgezogen. Vor ein paar Jahren hat er das Unternehmen für 200 Millionen Euro verkauft. Er müsste nie wieder arbeiten. Trotzdem ließ er 2012 in der Wiener Kreuzgasse die Vienna International Medical Clinic (VIMC) errichten, eine 22-Betten-Klinik mit noblem Interieur. Im Umkreis des AKH hat sich ein Gesundheits-Cluster etabliert, der als „goldene Meile“ bezeichnet wird. Hier werden betuchte Patienten behandelt – oft auch von Oberärzten aus dem nahen AKH, die am Nachmittag ihr Zubrot verdienen.

Eine passende Adresse, wie Walter Grubmüller meinte. Die Tochter des Privatiers mit finanziellem Rückhalt hatte Medizin studiert, und er wollte ihr als guter Vater eine kleine Klinik zum Start ins Berufsleben schenken. „Eigentlich habe ich damals ein Angebot in New York gehabt, eine Million hätte ich dort jährlich bei einem Sportwettenanbieter verdient. Aber ich habe abgelehnt und stattdessen die VIMC aufgebaut – das war ein Fehler“, sagt er. „Aber ich klage alle bis zum EuGh. Geld habe ich ja genug, mir geht es ums Prinzip.“

Private Krankenhäuser sind in Österreich seit 2002 Teil der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Damals wurde der Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) ins Leben gerufen. Zuvor konnte ein Patient zwar im Notfall – wenn die Aufnahme notwendig und unaufschiebbar war – in Privatkrankenhäuser eingeliefert werden, gedeckt waren die Behandlungskosten aber grundsätzlich nur für Privatversicherte. Seit 14 Jahren ist das nun anders: Der Prikraf leistet Kostenersatz für alle Sozialversicherten, die im Notfall in Privatspitälern behandelt werden. Er wird durch die Sozialversicherungsträger finanziert. Österreichweit bezahlt der Prikraf jährlich mehr als 100 Millionen Euro an Privatspitäler.

Grubmüllers Problem: Seine kleine Klinik wird nicht in den Prikraf aufgenommen. Die Begründung der Wirtschaftskammer: Der Hauptverband habe den Fonds gedeckelt, also nehme man keine neuen Mitglieder auf. Diese Nichtaufnahme bedeutet für die VIMC: kein Kostenersatz, also weniger Patienten.

Tatsächlich war zwischen dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger und dem Prikraf eine Closed-Shop-Regelung vereinbart worden: Alle privaten Krankenanstalten, die über den Fonds abgewickelt werden, müssen namentlich aufgelistet werden. 45 Häuser sind auf der Liste zu finden, darunter die Privatklinik Villach, das Moorheilbad Harbach oder das Rudolfinerhaus in Wien. Die VIMC aber nicht. Ohne eine Aufnahme in den Fonds und ohne Patienten aus dem Sozialversicherungssystem, behauptet Grubmüller, hätte sich seine Klinik – so wie eine Reihe anderer Privatspitäler auch – auf Dauer wirtschaftlich nicht gerechnet. Eine Obergrenze sieht das Prikraf-Gesetz zwar nicht vor, doch der Fonds ist gedeckelt, und daher verringert jeder neue Mitspieler für die anderen den Anteil am Kuchen.

Mittlerweile wurde in der Klinik auf plastische Chirurgie umgesattelt

Für Grubmüller eine Verschwörung. Denn eine Aufnahme bedarf in Wien der Zustimmung des Fachverbands für Gesundheitsbetriebe der Wiener Wirtschaftskammer. Und der sperrt sich dagegen. „Weil der Fachverbands-Vorsitzende der Geschäftsführer einer Firma ist, die vier Privatkliniken betreibt“, behauptet Grubmüller. Der Fachverbands-Obmann heißt Julian Hadschieff und ist Geschäftsführer der PremiQaMed, einer Tochter der UNIQA Insurance Group AG, die zu 30 Prozent Raiffeisen gehört.

PremiQaMed betreibt die Privatklinik Döbling, die Confraternität-Privatklinik Josefstadt, die Privatklinik Wehrle-Diakonissen in Salzburg und die Privatklinik Graz Ragnitz. Diese Häuser sind mit insgesamt 558 Betten ausgewiesene Prikraf-Krankenanstalten. „Zu mir hat Hadschieff gesagt: Du kommst nicht rein, ich werde mir doch den eigenen Anteil nicht verkleinern“, so Grubmüller.

Ein Funktionär wollte das Privatspital günstig abkaufen

Julian Hadschieff wollte auf Anfrage keinen Kommentar dazu abgeben. Stattdessen lässt er in seiner Funktion als Fachgruppen-Obmann der Wirtschaftskammer eine Mitarbeiterin, Birgit Bartak, antworten, warum die VIMC nicht aufgenommen werde. Sie verweist darauf, dass der Oberste Gerichtshof im September 2015 klargestellt habe, es gebe keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme. Im Übrigen sei die VIMC schwerpunktmäßig im Bereich plastisch-ästhetischer Chirurgie tätig. „In diesem Bereich gibt es keinen Kostenersatz seitens Prikraf“, so die Wirtschaftskammer.

„Eine Frechheit“, entgegnet Grubmüller, „eben weil ich nicht in den Prikraf reinkomme, habe ich auf plastische Chirurgie umsatteln müssen, sonst wären ja alle Angestellten arbeitslos.“ Tatsächlich arbeiten heute nur mehr halb so viele Mediziner und Pfleger in der Klinik wie zu Beginn. Beauty-OP-Doyen Artur Worseg hat die Räumlichkeiten der VICM gepachtet.

Grubmüller ist ein „alter Sozi“, wie er sagt. Sozialer Ausgleich sei ihm wichtig, er habe im Sommer in Traiskirchen auch mit Materialien ausgeholfen. Aber im Fall seiner Klinik sieht er rot. Er klagte die Wiener Wirtschaftskammer wegen der Nichtaufnahme, doch während des Prozesses wurde das Gesetz geändert – seitdem ist nicht die Kammer, sondern der Fachverband der Kammer zuständig. Entsprechend fiel das Gerichtsurteil aus. Die Wirtschaftskammer war aus dem Schneider.

„Beim Fachverband wollten wir ohne Klage auskommen“, sagt Anwalt Helmut Grubmüller, der seinen Bruder Walter vertritt und Walter Schrammel, einen emeritierten Wiener Universitätsprofessor für Arbeitsrecht, mit einem Gutachten beauftragt hat. „Die Weigerung der Wirtschaftskammer kann nicht mit dem Argument begründet werden, dass der Hauptverband die Aufstockung der Mittel ablehnt“, meint Schrammel. Denn seit dem Inkrafttreten des Prikraf seien einige Krankenanstalten geschlossen worden, ohne dass die Fondsmittel verringert worden seien. Die Kammer habe ihre Mitglieder gleich zu behandeln.

Ein zweites Gutachten von Rechtswissenschafter Heinz Mayer bestätigt ebenfalls die Position Grubmüllers. „Es besteht ein Rechtsanspruch auf Aufnahme“, sagt Mayer.

Bewaffnet mit diesen Gutachten wandte sich Walter Grubmüller im Jahr 2014 an die Bundeswettbewerbsbehörde. Sie sollte auch eine etwaige Unvereinbarkeit der Tätigkeiten Hadschieffs untersuchen. Nach mehreren Urgenzen gab es im Oktober 2015 die Antwort: „Die Bundeswettbewerbsbehörde beabsichtigt derzeit nicht, weitere Ermittlungsschritte zu setzen oder ein Verfahren einzuleiten (…) aus Ressourcengründen.“

Anfang März dieses Jahres allerdings besannen sich die Wettbewerbsprüfer und ließen Grubmüller wissen, dass man doch eine Prüfung einleiten wolle. Zuvor hatte die EU-Wettbewerbskommission eine Prüfung der Angelegenheit mit dem Hinweis abgelehnt, dass ohnedies die nationale Wettbewerbsbehörde tätig sei.

Derweil hatte Hadschieff an Grubmüller signalisiert, Interesse an der VIMC zu haben. In einem der ZEIT vorliegendem Vertragsentwurf zwischen PremiaQaMed und VIMC vom 18. Februar 2014 wird strengste Geheimhaltung vereinbart. Widrigenfalls würden Vertragsstrafen und Schadenersatz drohen.

Man traf sich im April 2014 mit Anwälten und verhandelte einen Preis. Hadschieff bot 1,5 Millionen Euro, Grubmüller wollte mindestens fünf Millionen. Die Verhandlungen scheiterten schließlich am Kaufpreis. Hadschieff wollte sich auch zu diesen Verhandlungen nicht äußern.

Die Episode hat den Kampfgeist Grubmüllers neu entfacht. Speedway ist kein Sport für Wehleidige. Wenn sich die Sportler auf ihren spiritusbetriebenen Motorrädern in der Kurve mit 90 Stundenkilometern Zweikämpfe liefern, kann der Platzwart schon die Rettung anrufen. Grubmüller weiß aber auch, dass sein Gegenspieler, Julian Hadschieff, „ein harter Hund“ ist. Der war im Eisschnelllauf-Nationalteam, sein Bruder hat sogar eine Olympiamedaille gewonnen. „Aber ich habe recht, darum werde ich letztlich auch recht bekommen“, gibt sich der Selfmade-Millionär kämpferisch. „Ich gebe nicht auf, Geld habe ich genug, mir geht es ums Prinzip“, droht der vermögende Kläger.

Von Österreich hat er aber mittlerweile genug. „Ich wollte 50 Millionen Euro in die Klinik investieren, ein großes Ding hätte das werden sollen“, gibt er sich enttäuscht. Momentan beschäftigt er deutsche Anwälte, um seinen Fall im Nachbarland vor Gericht zu bringen. „Immerhin sind wir dort als Firma eingetragen.“ Parallel dazu bemüht er sich um ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.

Nur zum Skifahren will er in Zukunft in sein Heimatland. Da wartet ein Haus in Tirol neben der Piste. Ein weiterer Trost: Er kann gedeihlich von den Zinsen und Einkünften seines Eigentums leben. Und ein eigener Learjet samt Privatpilot bringt ihn regelmäßig auf die griechische Insel Korfu, wo er neben Fiat-Chef Agnelli ein Anwesen besitzt und das Mittelmeer plätschern hört.

Dieser Artikel stammt aus der Österreich-Ausgabe der ZEIT, Nr. 15 vom 31.03.2016.