Herbert Krejcis Beobachtungsgabe war so scharf wie seine formulierte Treffsicherheit. Seine Rolle als Gestalter und Brückenbauer hat er stets nobel unter den Scheffel gestellt. Ihm gefielen die kleinen und skurrilen Schwächen seiner Mitmenschen.

Herbert Krejci, Foto: Wolfgang H. Wögerer, Wikipedia

Herbert Krejci, Foto: Wolfgang H. Wögerer, Wikipedia

Der Schalk sitzt ihm auch im hohen Alter noch im Nacken. Zum Beispiel als Herbert Krejci einen kurzen Dialog mit Hannes Androsch zum Besten gibt: „Ich habe einmal zu Hannes Androsch gemeint „es gibt wenige Menschen, die so treue Freunde sein können, wie er.“

Da hat der etwas Lustiges gesagt: „Das Wort ,treu‘ gefällt mir nicht, ich habe lieber das Wort verlässlich“, erinnert sich der damals 92jährige in seiner Wohnung im Westen Wiens – und fügt listig hinzu: „Das wird wohl seine Gründe gehabt haben.“

Diese Szene hat sich 2015 ereignet. Der langjährige Generalsekretär der Industriellenvereinigung hat in einem Interview von den Jahrzehnten erzählt, als aus dem saturierten Privatunternehmensverein eine moderne Pressure-Group geworden ist. Krejci war der Motor dieser Öffnung. Eine nicht einfache Aufgabe, denn als Bruno Kreisky 1970 zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler der Zweiten Republik angelobt worden ist, herrschte am Schwarzenbergplatz zum Teil helle Panik. Man befürchtete Enteignungen und Nationalisierungen. Krejci gelang es, diese Sorgen zu nehmen. Das lag auch an der Person Kreiskys, wie sich der IV-Mann erinnert:

„Die Bewunderer von Kreisky saßen zum Teil auch am Schwarzenbergplatz. Der hat ihnen gefallen, wie oft habe ich gehört, ,gestern im philharmonischen Konzert ist der Kreisky gesessen, aber von den Schwarzen kommt natürlich keiner.‘ Der Kreisky mit seinen Manieren und immer korrekt angezogen und mit alten Aristokratenbeziehungen, das hat gefallen. Manche haben gesagt: so einen brauchten wir.“

1956 hatte Krejci in der Presseabteilung der IV angefangen, 1992 ging er als deren Generalsekretär in Pension. Er war ein Brückenbauer – auch zur Sozialdemokratie. Er schaffte es, die Verstaatlichte Industrie in die IV zu integrieren. Und er kannte die Schliche der heimischen Innenpolitik:

„Die Hartwährungspolitik war ja heftigst umstritten, es gab ein großes Theater. Die Umstellungen, die Angleichungen an die D-Mark fanden ja immer am Wochenende statt. Das heißt, wenn man gewusst hat, es kommt so ein Sonntag, war man vorbereitet und ist an den APA-Sonderdiensten gesessen und man wusste, was herauskommt. Danach hat man im Namen der Industriellenvereinigung eine Protestresolution verfasst.

Prof. Koren war Präsident der Nationalbank und wir hatten ein sehr gutes Verhältnis. Einmal sagt er zu mir : „schauen Sie, Sie haben ihre Pflicht und ich habe meine Pflicht. Sie müssen die Industrie verteidigen. Sie schicken mir ein Protesttelegramm, mit dem Inhalt, dass sie dagegen sind, dass wir den Schillingkurs an die D-Mark anpassen. Ich schaue mir das gar nicht, an, sondern lege es in die Schreibtischlade. Sie können ihren Mitgliedern sagen: ,Wir sind sofort zum Präsidenten Koren gegangen.‘ In Wirklichkeit grinst man dabei.“

Wenig gegrinst hat Krejci 1980, als sich folgende Episode angespielt hat:

„Ende August 1980 passierte Folgendes: Ich war mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Generalsekretärs der IV schon betraut. Es gab schon vorher Diskussionen über das Wiener AKH und über Monopolstellungen im Telefonbereich, über eine Kartellbildung.

Es war ein Dienstag, ich war kurz im Kaffeehaus und ich kam zurück und es steht der Josef Broukal mit einem ORF-Fernsehteam im Vorzimmer bei mir. „Was ist denn hier los?“, habe ich gefragt. Und er hat gemeint „ja wissen Sie nicht, der Präsident Mayer ist in U-Haft genommen worden.“ Das war natürlich ein Schlag, es war Sommer und es war von den Entscheidungsträgern niemand da. Der eine war in Amerika, der andere auf Kur usw. Ich habe gemeint „ich muss ein Sitzung einberufen, ich muss ja ein OK bekommen.“ Dann habe ich den Dr. Treichl angerufen und ihn gebeten: „kann ich gegen Bezahlung das Flugzeug der CA für ein paar Stunden haben?“ Das hat er mir genehmigt und es hat gewaltig gekostet. Das Flugzeug hat den Fritz Heiß von Antibes abgeholt, zur Sitzung und danach wieder zurück gebracht.

Ich muss sagen: eigentlich hat das damals – ich sage das in aller Demut – meine Stellung gestärkt. Man hat gesagt „der hat das allein gemeistert.“ Sie wissen ja, dass man den Kreisky angerufen hat und gesagt hat „der Mayer ist verhaftet worden.“ Und da soll er gesagt haben „Was, der Hans Mayr, der Wiener Vizebürgermeister?“. „Nein, der andere, der Mayer von der Industriellenvereinigung“, hat es dann geheißen.

In keinem Managementlehrbuch steht , wie man sich verhält, wenn der Präsident einer Organisation verhaftet wird. Und dem man danach keine Schuld wird nachweisen können.

Wir haben dann alles getan, um die Sache reibungslos über die Bühne zu bringen. Fritz Mayer hat gesagt „ich bin eine Belastung, ich lege alles zurück, ich habe mit dem Christian Beurle gesprochen, der soll mein Nachfolger werden.“

Krejci ist im August 2016 verstorben. Die positiven Nachrufe scheinen alle Vertretern aus Politik und Wirtschaft leicht zu fallen. Vielleicht hätte sich Krejci pointiertere, weniger staatstragende Kommentare gewünscht. Fakt ist: Mit ihm verliert Österreich einen treffsicher formulierenden Beobachter und Gestalter österreichischer Zeitgeschichte. Etwa, als er die Eigenheiten seines früheren Chefs Rudolf Sallinger trocken beschreibt:

„Meine Begegnungen mit Sallinger waren zu sozialpartnerschaftlichen Zeiten um 07:20 Uhr in der Frühe. Da hat es einen Kakao mit einem Kipferl gegeben, da habe ich gesehen, wie glänzend der Sallinger informiert gewesen ist. Da ist ununterbrochen das Telefon gegangen und man hat ihm berichtet, was am Wochenende über ihn erzählt worden ist. Da hat er alles gewusst.

Besonders eifersüchtig war Sallinger auf die Hoheit über die Handelsdelegierten. Als einmal eine Gruppe von Unternehmern den Handelsdelegierten in Paris bat, ihre Vorbereitungen für eine Fahrt zu den Loireschlössern zu unterstützen, dann wäre man normalerweise einfach in das Schinakel eingestiegen und hätte den Ausflug gemacht. Aber Sallinger war ein absoluter Gewaltherrscher, der hat das nicht genehmigt. Von dieser Zeit an mussten die Herren der Industriellenvereinigung, die die Zeit eines Handelsdelegierten für private Zwecke nützen wollten, bei Sallinger anrufen, ob er dies gestatte. Aber wir haben dies auch auf gute österreichische Weise gelöst.“

Das komplette Interview von Gerd Millmann mit Herbert Krejci finden Sie unter http://www.aufderueberholspur.at/files/interviews/Krejci.pdf.

Mehr Gespräche mit Wirtschaftskapitänen bietet das Buch „Auf der Überholspur“.