Jagen mit Pfeil und Bogen ist in Österreich verboten. Doch die ”Bowhunters“ kämpfen um Anerkennung.

Von Gerd Millmann

Erschienen in DIE ZEIT Nr. 36/2011 vom 1. September 2011

In grüner Tarnkleidung schleicht ein Schütze durch den Wald. Langsam spannt er den Bogen, zielt und lässt seinen Pfeil los. Fast geräuschlos durchschneidet er mit bis zu 300 Stundenkilometern die Luft und trifft eine Wildsauattrappe mitten ins Herz. Anerkennender Applaus folgt dem zielsicheren Schuss.

Was wie ein Indianerspiel von Erwachsenen aussieht, ist bitterer Ernst: Hier im Salzburger Viehhofen stellen sich zwölf Männer der Bogenjagdprüfung. Sie alle sind keine Jagdneulinge, der gültige Jagdschein ist Voraussetzung, um von der Bowhunter Federation Austria (BFA) zum Bogenjäger geadelt zu werden. Doch Reh, Fuchs und anderem Wild dürfen sie dann trotzdem nicht mit Pfeilen nachstellen.

Während in Frankreich, Spanien, Nordamerika oder Australien die Bogenjagd wieder eingeführt worden ist, beharren Österreichs Jagdwächter auf der Pirsch mit Gewehr. »Nicht waidgerecht«, lautet die Begründung. Hinter vorgehaltener Hand sprechen viele Jäger aber von »Spinnern, die als Indianer im Wald herumlaufen wollen«.

»Ja, solche Meinungen gibt es auch«, meint Ernst Blajs, Präsident der BFA. »Aber die meisten sind einfach uninformiert, die stellen sich Bogenjagd so vor, wie bei Bubenspielen mit dem Weidenholzbogen.« Der Kärntner ist zwar »begeisterter Büchsenjäger«, kämpft aber seit 1995 gemeinsam mit 150 anderen heimischen Bowhunters für die Legalisierung der Bogenjagd.

In acht Bundesländern ist die Bogenjagd verboten. In Wien ist zwar die Jagd »aus der Luft, mit Sprengmitteln und Armbrust« untersagt, die Bogenjagd kommt aber im Landesgesetz nicht vor. »Das stimmt, gesetzlich wäre sie in Wien erlaubt«, sagt der Wiener Forstamtsdirektor Gerhard Januskovecz. »Ich kenne aber niemanden, der das tut.« Auch Bogen-Wilderer sind ihm bisher nicht untergekommen.

Noch nicht, denn die rustikale Jagd ist im Aufwind. In den USA sind bereits 3,5 Millionen Bowhunters registriert. Die Faszination liege in den höheren Anforderungen an die Jäger, sagt Blajs. Bogenjäger müssen sich viel näher an das Beutetier heranpirschen als Büchsenjäger. 15 bis 25 Meter ist die Standarddistanz, von der der Pfeil von der Sehne zischt.

Für ihre Anhänger ist die Bogenjagd eine Lebenseinstellung. Gesucht wird die Herausforderung des archaischen Tötens. »Mir ist die Büchsenjagd einfach zu leicht geworden. Da trifft man auf 200, 300 Meter Entfernung, das Wild hat gar keine Chance«, gibt sich Walter Mahlknecht, Bogenjäger aus dem Zillertal, pragmatisch. Ähnlich sieht es BFA-Präsident Blajs: »Die Jagd ist immer mehr zum Wildmanagement verkommen. Es gilt fast nur noch, die erforderliche Stückzahl zu erlegen. Und das geht mit der Büchse viel einfacher als mit dem Bogen.«

Wer als Bogenjäger auf die Pirsch geht, kommt um eine umfassende Tarnung nicht herum. Neben einer camouflierten Kleidung muss selbst der Körpergeruch eliminiert werden. Blajs und seine Kollegen waschen sich dazu mit spezieller Seife ohne Eigenduft und verwenden geruchabsorbierende Textilien.

Auch die hollywoodreifen Compoundbögen der Bowhunters haben mit dem primitiven Gerät Robin Hoods nur wenig gemein: Das leichte Material und eine Flaschenzugtechnik ermöglichen die hohe Geschwindigkeit der abgeschossenen Pfeile. Deren Wucht ist so hoch, dass sogar ein Bison auf einer Entfernung von 25 Metern durchschlagen wird. Um die 1.200 Euro kostet die Hightech-Waffe samt Zubehör. Die Pfeilspitzen sind rasiermesserscharf, um blitzschnell die lebenswichtigen Blutgefäße der Tiere zu zerstören. Dennoch läuft ein tödlich getroffener Keiler noch einige Sekunden weiter, bis er tot umfällt. »Das geschieht auch bei der Jagd mit dem Gewehr«, sagt Mahlknecht. »Diese Fluchtstrecke ist beim Pfeil sogar kleiner.«

Trotz aller Begeisterung geht es den Bowhunters nicht um das Ersetzen der Büchsen- durch die Bogenjagd. Die Abschusspläne der Bezirkshauptmannschaften könnten damit gar nicht eingehalten werden. Der Bogen soll ein Zusatzsegment des Jagens sein. »Wie die Falkenjagd«, meint Blajs.

Doch bisher kämpfen die österreichischen Bogenjäger vergeblich um Anerkennung. Sie frönen der Jagd auf eigenen 3-D-Parcours, wie dem in Viehhofen. Dort stehen Kunststoffrehe, -hirsche und -keiler auf Lichtungen und warten geduldig darauf, wieder und wieder erlegt zu werden. Manchmal werden die Tierattrappen auf Drähten hin und her gezogen, um realitätsnahe Jagdsituationen zu imitieren. Eine lustige Übung, aber weit entfernt vom Original. »Ich würde schon gerne ein, zwei echte Rehlein in meinem Revier mit dem Pfeil erlegen«, seufzt Jäger Blajs.

In den USA ist die Jagd in städtischen Gebieten streng reglementiert. Wild, das sich in Städte verirrt, muss in Übersee sogar mit Pfeilen erlegt werden, vor allem wegen der Lärmbelästigung. Wien erlebt aktuell eine Wildschweinplage. Villenbewohner in Döbling klagen lautstark über zertrampelte Vorgärten. Die Borstentiere kommen aber nur bei Dunkelheit aus dem Wienerwald heraus. Ernst Blajs’ Bowhunters stehen schon Bogen bei Fuß.

Dieser Artikel stammt aus der ZEIT, Österreich Ausgabe 36/2011 vom 1. September 2011.