Die Förderung von Athleten für Olympia 2016 kostet viel Steuergeld und wird unzureichend evaluiert
Von Gerd Millmann
DIE ZEIT Nr. 33/2014 vom 7. August 2014
Bald wird es ernst für Europas Schwimmelite. Wer bei den Europameisterschaften in Berlin vom 13. August an überzeugt, zählt auch zum Favoritenkreis für die Olympischen Spiele. Österreich stellt 21 Athleten, doch Medaillen wird es keine für sie geben. Österreichs bester Schwimmer, Dinko Jukić, Olympiavierter in London in der kraftraubenden Disziplin 200 Meter Schmetterling, hat die Qualifikation verpasst.
Für Insider ist das nicht erstaunlich, hat doch der 25-jährige Bruder der erfolgreichen Olympionikin Mirna Jukić seit mehr als einem Jahr keinen Wettkampf mehr bestritten. Mangelnde finanzielle Unterstützung kann nicht als Erklärung für seine matte Bilanz gelten, denn der Mann erhält allein in diesem Jahr 120.000 Euro Sonderförderung aus Steuermitteln: Unter anderem 47.000 Euro für Training und Teilnahme an Wettkämpfen, 30.000 Euro für Spezial- und Individualbetreuung und 10.000 Euro für „Forschung und Entwicklung“.
„Rio 2016“ heißt das Förderprogramm für Spitzensportler, dessen Füllhorn sich bis zu den Sommerspielen in Brasilien über Jukić und 47 weitere rot-weiß-rote Einzelsportler ergießt. Auch sieben Teams und zwölf Paralympics-Sportler werden mit Susi-Sorglos-Paketen aus Steuergeldern beglückt, die nach der Pleite von London dazu beitragen sollen, dass Österreicher mit Edelmetall im Gepäck heimkehrt.
Als vor zwei Jahren die olympische Flamme an der Themse erloschen war, loderte die nationale Schmach noch lange weiter. Athleten aus 85 Nationen – von Nordkorea bis zur Dominikanischen Republik – hatten Gold, Silber oder Bronze erobert. Alle Österreicher waren leer ausgegangen. Plötzlich wurde ein „Wunderwuzzi“ für rasche Erfolge gesucht. Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbandes und schlauer Unternehmer, wurde im Mai 2013 als Erlöser präsentiert: Was im Wintersport Erfolg bringe, lautete die Devise, das müsse doch auch im Sommersport funktionieren. Dass Skifahren oder Rodeln nur von einem halben Dutzend Nationen halbwegs ernsthaft betrieben wird, aber Leichtathletik und Schwimmen globale Sportarten sind, ließen weder das Olympische Komitee noch Schröcksnadel selbst an ihrem Patentrezept zweifeln. Mindestens fünf Medaillen versprach der Innsbrucker Funktionärsguru der dankbaren Nation für die nächsten Sommerspiele. Als Chefkoordinator von Rio 2016 verbürge er sich dafür. Er darf im Auftrag von Sportminister Gerald Klug 20 Millionen Euro verteilen – und zwar freihändig, ohne wirksame Evaluierung.
Drei Personen seines Vertrauens bilden die Beratungskommission: Ewald Klinger aus dem Sportministerium, Ex-Olympiasurfer Christoph Sieber und Harald Horschinegg vom Sportinstitut IMSB. Ihre Entscheidungen sorgen für Diskussionen. Diskuswerfer Gerhard Mayer war schon 2012 in London dabei (enttäuschender 24. in der Qualifikation) und bekommt dieses Jahr nur 24.200 Euro aus dem Rio-2016-Fonds. Andererseits dürfen sich die Triathleten über 190.000 Euro freuen, obwohl sie seit dem Olympiasieg von Kate Allen 2004 meist erst ins Ziel kommen, nachdem die Sieger bereits ihre Interviews gegeben haben. Trotzdem gelten die vier geförderten Männer und Frauen als Medaillenhoffnungen im Rio-2016-Kader. Gute Optik ist es keine, dass Schröcksnadels engster Mitarbeiter, Harald Horschinegg, selbst einen Triathlonverein leitet. Das gesamte Handball-Nationalteam erhält gleich viel wie der außer Form geratene Dinko Jukić, der derzeit öfters auf Tennisturnieren als in der Schwimmhalle zu sehen ist. Als Konditionstrainer seiner Lebensgefährtin, einer tschechischen Tennisspielerin, reist er munter um die Welt. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Schwimmfunktionäre von bezahltem Urlaub auf Regimentskosten. Im Schwimmverband weist man jede Verantwortung für die Zahlungen weit von sich. „Wir sind nur eine Durchlaufstation ohne Einfluss“, sagt Generalsekretär Thomas Unger.
Dabei wäre Österreichs Sport ohnehin kräftig dotiert. 120 Millionen Euro zahlt der Bund jährlich, zusätzlich gibt es Sonderzahlungen für internationale Meisterschaften oder neue Sportstätten. Parallel dazu fördern Länder und Gemeinden nach schwer nachvollziehbaren Prinzipien. Nur leider kommt das Geld nicht dort an, wo es hin sollte. Der Löwenanteil versickert in den gewachsenen Strukturen. Österreich leistet sich neben dem parteifreien Dachverband ASVÖ auch zwei politisch zuordenbare Organisationen, den roten ASKÖ, die schwarze Sport-Union. Dazu kommen mehr als 60 Bundesfachverbände mit etwa 160 Landesfachverbänden. Die Bundessportorganisation und das Olympische Komitee bekommen ebenfalls saftige Apanagen. Logisch, dass an der Basis das Geld fehlt.
„Wir brauchen dringend mehr Trainer für Kinder und Jugendliche“, sagt Rudolf Massak, Generalsekretär des Radsport-Verbands. „Olympioniken entstehen nicht von selbst, man muss sie aufbauen.“ Die Erfassung und Weiterführung von Talenten bleibt so meist dem Zufall überlassen.
„Österreichs Sport leidet unter mangelnder Unterstützung für die Jugend“, sagt auch Wolfgang Konrad. Der Veranstalter des Wien-Marathons war Langstreckenläufer und betreut seinen Sohn Patrick, der die Österreich-Radrundfahrt als Fünfter beendet hat. Den Verein, in dem er begonnen hat, gibt es nicht mehr. Das Geld war ausgegangen.
Dieser Artikel erschien in der ZEIT, Österreich Ausgabe Nr. 33/2014 vom 7. August 2014.
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