Pius Strobl polarisiert in seiner Partei. Aus dem Öko-Fundi von einst ist ein knallharter Manager geworden

Von Gerd Millmann

Erschienen in DIE ZEIT, Nr. 50/2014 vom 4. Dezember 2014

Wenn die grüne Mamba in den Raum kommt, stellt es den meisten Parteikollegen bereits die Nackenhaare auf. Allerdings erinnert Pius Strobl nicht im entferntesten an ein giftiges Reptil. Der groß gewachsene Burgenländer wirkt charmant. Vielleicht war es die Blitzkarriere, die ihm den tierischen Spitznamen einbrachte: Mambas klettern schnell, und kein Baum ist ihnen zu hoch. Früher war der Mitbegründer der Grünen ein Fundi, ein Naturschützer. Heute scheffelt er Geld und gilt als Hüter der Rendite. Sein neuestes Projekt: das größte Unterhaltungsevent der Welt. 120 000 Tickets für zwölf Shows, 1700 akkreditierte Journalisten, 180 Millionen TV-Zuseher: Der Eurovision Song Contest 2015 in der Wiener Stadthalle wird im Mai nächsten Jahres alle Rekorde brechen. „Ein geiles Ding“, sagt Strobl und lächelt zufrieden. Der Mann ist zuständig für Side-Events, Public Viewing, Hospitality, das Pressezentrum, Akkreditierungen, Sicherheit und Logistik, das Verkehrskonzept, die Shuttles und die freiwilligen Helfer. Der 58-Jährige, der lange Zeit selbst in ORF-Gremien saß, ist Mr. Song Contest.

Die meisten Grünen reagieren allergisch, wenn sie seinen Namen hören. „Er ist ganz sicher kein Grüner mehr“, meint etwa Dieter Brosz, langjähriger Parlamentarier der Ökopartei. „Er vertritt seine Interessen, die der Grünen aber eher nicht.“ Strobl selbst sieht das anders: „Ich bin immer noch Parteimitglied und Sympathisant.“ Selbstsicht und Außensicht wollen einfach nicht zusammenpassen.

Strobl ist der Beweis dafür, dass ein Grüner kein Gutmensch sein muss, und verkörpert einen Typus jenseits des Fundis/Realos-Äquators. Er ist Unternehmer, Machtmensch und Stratege mit parteiübergreifenden Freundschaften. Im Sommer mokierte er sich öffentlichkeitswirksam über ein EU-Wahlplakat der Grünen, das den ehemaligen ÖVP-Innenminister Ernst Strasser in nachteiliger Pose zeigte. Der Slogan dazu: „Menschen sind wichtiger als Lobbys“. Die lobende Anerkennung von Menschenrechtsfreunden war ihm sicher. Freilich vergaß er zu erwähnen, dass ihn mit besagtem Strasser eine jahrelange Freundschaft verbindet. Scheuklappen hat der gelernte Gendarm noch nie getragen. Fast wie der Song Contest, kann auch der umtriebige Manager auf einen ungewöhnlichen Werdegang zurückblicken.

Seine Mutter starb früh an Grippe, sein Vater verschwand. Im kleinen Mattersburg zog ihn seine Oma groß – in ärmlichen Verhältnissen. Gewand bekam er von der Caritas. „Ich wollte nie wieder in Armut leben“, sagt Strobl. Als Karriereziel schwebte ihm vor, ein wohlbestallter Pensionist zu werden. Also ging er zur Polizei. Seine Großmutter war Sozialdemokratin und brachte ihn zur Politik.

Als die Grünen noch ein unkoordinierter Haufen waren, stand er der SPÖ nahe. 1983 soll er für seinen Freund Josef Cap, den aufrührerischen SJ-Chef, eine Vorzugsstimmenkampagne betrieben haben, damit kritische Geister nicht grün, sondern rot wählen. Das wird ihm noch heute von den Grünen als Hintertreiben ihrer Gründungsphase ausgelegt. Als Beweis für diese These wird angeführt, dass ihn der SPÖ-Innenminister Karl Blecha anstandslos vom Dienst als Gendarm freistellte, als er mehr Zeit für seine politische Karriere brauchte. Doch der sozialdemokratische Landeshauptmann Theodor Kery, der gern im Keller mit Maschinenpistolen um sich schoss und vergünstigt Strom von den landeseigenen Elektrizitätswerken bezog, war ihm zum abschreckenden Beispiel geworden. Außerdem engagierte er sich für den Erhalt der Kogler Teichwiesen. Jedenfalls wurde Strobl zum Einiger des heterogenen Grüppchens, das sich 1986 hinter der Vorzeigefrau Freda Meissner-Blau zu den Grünen formierte und erstmals ins Parlament einzog. „Das war damals wie bei den NEOS heute“, sagt Strobl. „Ein Haufen ähnlich gesinnter, denen völlig die Struktur fehlt. Ich habe geholfen, aus den Grünen eine politische Bewegung zu machen.“

Im Sommer 1988 besuchte Strobl, damals Geschäftsführer der Grünen, eine Gruppe Hausbesetzer in der Wiener Aegidigasse. „Das Problem der Obdachlosigkeit – insbesondere von Jugendlichen – gehört zu den sozial dunkelsten Seiten der Sozialpolitik in der Bundeshauptstadt“, appellierte er an die Stadtregierung. Heute wirkt er als Sprecher der Immobiliengruppe Lenikus und weist dabei „angebliche Mieterschikanen auf das Schärfste zurück“. Lenikus steht seit Jahren im Fokus von Mieterschützern und hat einen knallharten Ruf. Die Einsatzgruppe des Wiener Wohnbaustadtrates unterstützt bis heute Mieter, die gegen Lenikus klagen.

Wie es zusammenpasst, dass aus dem einstigen Kämpfer gegen Obdachlosigkeit ein Verteidiger unbarmherziger Immobilienhaie wurde? Für Strobl eine ganz logische Entwicklung, für grüne Mitstreiter wie den Ex-Parlamentarier Karl Öllinger unvereinbar mit grünen Werten. Strobl hat ein Imageproblem. Er gilt als Opportunist. „Wo immer er auch war, bei der Polizei, bei den Grünen, beim ORF, überall waren sie angefressen auf ihn“, meint ein ehemaliger Geschäftspartner. Wie so viele will er nicht namentlich genannt werden. Warum? Weil Pius Strobl weiter dick im Geschäft ist.

Ein gelungenes Spektakel könnte Wrabetz die Wiederwahl sichern

Als böser Bulle hat sich der Urgrüne nicht viele Freunde gemacht

Von 1989 bis 1998 vertrat er die Grünen im ORF-Kuratorium und saß von 2004 bis 2006 im Stiftungsrat. Dort gelang es ihm, mittels einer Regenbogenfraktion aus SPÖ, Grünen und BZÖ den kaufmännischen Geschäftsführer Alexander Wrabetz zum neuen Generaldirektor zu machen. So zumindest der Mythos, denn auch daran kratzen Kritiker. „Wie soll der allein eine Mehrheit zusammengebracht haben?“, fragt ein damaliger Stiftungsrat-Kollege. „Er hat mitgemacht, aber konstruiert hat er die Wahl nicht. Dafür hat er später alle wissen lassen, er sei es gewesen.“

Von 2006 bis 2010 werkte Strobl als Kommunikationschef des ORF. „Da war er Blitzableiter und Sündenbock für die Kritiker am Chef“, erzählt ein ORF-Mitarbeiter. „Der beinharte Strobl ist die ideale Ergänzung für den wehleidigen Wrabetz. Er hat den bösen Bullen gegeben, Wrabetz den guten.“ Mit solchen Vorwürfen kann Strobl wenig anfangen. „Ich habe keinem Menschen jemals bewusst Schaden angetan“, verteidigt er sich mit sanfter Stimme. „Ich bin Manager und muss zwischen A und B entscheiden. Ich kann es nicht allen recht machen. Natürlich fühlen sich dann manche auf den Schlips getreten.“

Er wolle es positiv formulieren, sagt ein ehemaliger Förderer über Strobl: „Er macht es mit seiner Art sogar Freunden schwer, ihn gerne zu haben.“ Typisch für die robuste Art Strobls ist auch die Ursache für seinen Abgang beim ORF. 2010 hatte er eine Mitarbeiterin beauftragt, Gespräche zwischen ORF-Direktoren und Journalisten aufzeichnen zu lassen, was heftige Kritik auslöste. Wrabetz konnte seinen „Blitzableiter“ einfach nicht mehr halten.

Strobl ging in die Wirtschaft – und bekam neben seiner Tätigkeit als Lenikus-Sprecher eine Reihe von lukrativen Aufträgen von seinem früheren Arbeitgeber. Aufträge, die er nach Ablauf seines Song-Contest-Vertrags weiterführen will. Laut ORF geht es dabei um die Umstellung auf das HD-Format, die Einführung einer neuen Digital-Sat-Karte und ähnliche klar abgegrenzte Aufträge an Strobls Firma p+s consulting & communications. Mit der klaren Abgrenzung soll es allerdings nicht so weit her sein. Gerüchten zufolge habe Strobl sein Büro im ORF gar nicht geräumt, sondern werke dort bis heute. „Stimmt nicht, das ist seit 2010 mein Büro“, sagt ORF-Sprecher Martin Biedermann dazu trocken. „Herr Strobl hat kein ORF-Büro.“

Im September bestellte Generaldirektor Alexander Wrabetz Strobl zum Eventmanager für den Song Contest. „Er verfügt über große Erfahrung, hat das Public Viewing im Fußball erfunden, einige Großevents in Wien organisiert und größere Operationen während seiner ORF-Zeit gemanagt“, so Wrabetz als Begründung.

Die verantwortungsvolle Aufgabe sei in seinem Lebensplan nicht vorgesehen gewesen, sagt Strobl. „Ich habe eine gut gehende Firma und könnte mehr Zeit mit meinem fünfjährigen Sohn verbringen.“ Er hätte auch ohne Song Contest gut leben können. „Aber ich fühle mich als Freund des Generaldirektors.“ Und der wollte Strobl als unbedingt als Mr. Song Contest.

Viele Freunde hat sich der Urgrüne im Lauf seiner Karriere nicht gemacht. Es gibt aber einige, die seine Analyse- und Durchsetzungsfähigkeit schätzen. „Strobl ist ein ausgezeichneter Stratege mit Zug zum Tor, so etwas passt nicht gut ins grüne Denken“, so Dieter Brosz. Dieses strategische Denken wird Strobl auch von anderen Weggefährten attestiert. „Er geht, wenn er einmal einen Entschluss gefasst hat, rücksichtslos weiter“, sagt ein Kollege aus dem Kommunikationsbereich. „Aber Ideen hat er genug.“

Strobl gilt als Erfinder des Wiener Eistraums, er hat den ersten Inlinemarathon veranstaltet und die Gastronomie im ORF-Radio-Kulturcafé übernommen. Er schaffte es, zum EM-Finale 2004 Bundespräsident Heinz Fischer und Hans Krankl zum Public Viewing in die Krieau zu locken. Er führte diverse Gastro-Betriebe von der Donauinsel bis zum Spittelberg und verpflanzte einen 28 Meter hohen Leuchtturm von den Bregenzer Festspielen auf die Donauinsel.

Ein gelungenes Spektakel könnte Wrabetz die Wiederwahl sichern

Doch stets wurden seine Aktivitäten mit Misstrauen beäugt. Unbotmäßige Nähe zur Stadt Wien und zu allen, die etwas zu entscheiden haben, sowie ein Hang zum Ignorieren von Unvereinbarkeiten werden ihm gerne angedichtet. Beim Song Contest gebe es keine Ausschreibung für das Catering, lautet ein Vorwurf. „Stimmt“, bestätigt Strobl, „aber wir haben nicht einmal ein Jahr Vorbereitungszeit, eine Ausschreibung würde viel zu lange dauern.“ Also würden die fünf infrage kommenden Caterer in Österreich kontaktiert. „Einer oder zwei machen das dann.“ Auch für die anderen Subverträge ist Strobl allein zuständig. Seine eigene Firma werde aber nicht zum Zug kommen, sagt er.

Die Dänen haben mit ihrem perfekt organisierten Song Contest die Latte für den ORF sehr hoch gelegt. Der Rahmen, in dem Conchita Wurst schmachtend zur transsexuellen Königin Europas erblühte, wurde allerorten gelobt. Besser geht es wohl nicht, sehr wohl aber schlechter. Floppt die Show in Wien, ist Strobl schuld, wird das dänische Spektakel getoppt, heißt der Sieger Wrabetz. Es wäre eine optimale Ausgangsbasis für die Wiederwahl zum ORF-Chef, die laut Strategen schon im Sommer 2015 stattfinden soll.

Dieser Artikel stammt aus der ZEIT, Österreich Ausgabe 50 vom 4.12.2014.