Die ganze Bundeshauptstadt wurde zum Jagdgebiet erklärt, um die Invasion von Tausenden Schwarzkitteln zu bremsen.

Von Gerd Millmann

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung im März 2012

Wien – Ganz Wien ist seit Februar Jagdgebiet. Und das kam so: So wie Berlin, Hamburg und viele andere europäische Großstädte hat auch die Bundeshauptstadt ein veritables Wildschweinproblem. Mehrere tausend Schwarzkittel machen Wiens Vorgärten unsicher und dringen in die Grünräume der Stadt ein, um Gärten, Blumen- und Gemüsebeete umzuwühlen. Sehr zur Freude der Vierbeiner, sehr zum Groll vieler Anrainer, die von der Stadt den Abschuss der Wildschweine verlangen. „Das ist aber bisher nicht gegangen“, erklärt der Wiener Forstamt-Direktor Andreas Januskovecz. Nur ein Drittel der Stadt war als Jagdgebiet ausgewiesen. „Wenn ein Wildschwein im Garten gestanden ist, durften wir als Forstamt aus rechtlichen Gründen nicht einschreiten.“

Jetzt sind auch die verbleibenden zwei Drittel der Stadt Jagdgebiet, genauer „Jagdruhensgebiet“, wie es rechtlich korrekt heißt. „Meine Jäger werden nicht wie im Westernfilm bewaffnet durch den Graben patrouillieren“, beruhigt Wiens Oberjäger. Sondern man versucht zuerst, die Tiere zu vertreiben, dann kommt die Betäubung durch einen Veterinär zum Einsatz, erst bei Gefahr für Leib und Leben greifen Wiens Jäger zum Stutzen.

Leicht ist die Jagd auf die Schweine nicht. „Sie sind sehr schlau und verstecken sich unter Tags im Wald. Dort sind sie kaum zu erwischen“, weiß Januskovecz. Und bei der Jagd hat die Sicherheit der Menschen immer oberste Priorität. „Wir begegnen immer wieder Joggern, die um Mitternacht mit Stirnlampe ihre Runde drehen, da können wir nicht schießen.“

Dennoch, 2011 erlegten die Wiener Jäger 1618 Wildschweine. Zum Vergleich: In Tirol gab es zwei erschossene Wildsäue. Grundsätzlich sieht Stadtjäger Januskovecz die Invasion der Schwarzkittel positiv. „Das ist ein Kompliment an die Stadt. Die vielen Grünkeile, die bis in die dicht verbauten Gebiete führen, lassen die Schweine immer weiter ins Stadtgebiet eindringen.“ Besonders Biotonnen haben es ihnen angetan. Von deren Duft angelockt, kriechen die Tiere unter den Zäunen in die Wiener Gärten. Schutz vor der Zerstörung des Gartens bietet nur ein Zaun, der auch einen Meter tief in den Boden hineinreicht, weiß Januskowecz. Leichter als im Stadtgebiet haben es die Wildschweinjäger übrigens im Lainzer Tiergarten. In diesem ummauerten, 2450 Hektar großen Areal leben etwa 600 Wildschweine. Bis zur Weihnachtszeit vermehren sie sich jedes Jahr um weitere 600 bis 800 Stück. So viele werden bei den traditionellen Weihnachtsjagden im Lainzer Tiergarten wieder abgeschossen und an Wildbrethändler verkauft. 50 Berufsjäger sind dabei im Einsatz, der Tiergarten ist natürlich für Besucher geschlossen.

Übrigens: Für Hunde ist der Lainzer Tiergarten ständig geschlossen. „Aber nicht, um die Wildschweine zu schützen, sondern umgekehrt“, erklärt Januskovecz. „Die Schweine würden jeden Hund zerfetzen.“

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung im März 2012