Es gibt sie noch, die großen Geheimnisse: Zum Beispiel wo der Goldschatz der Nationalbank gelagert ist.

Von Gerd Millmann

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung im Februar 2012.

Wien – 280 Tonnen Gold besitzt die Oesterreichische Nationalbank. Gut so, denn der Goldpreis steigt ständig und die Nationalbank ist zu hundert Prozent im Eigentum des Staates, also aller Staatsbürger. 11,8 Milliarden Euro sind diese Barren insgesamt wert. Aber wo ist das Gold? Fix ist nur: Der Großteil lagert im Ausland, nur ein Herzeigeposten ruht im Kellergewölbe unter dem Nationalbankgebäude in Wien.

„Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir keine detaillierten Auskünfte über die Lagerorte der Goldreserven veröffentlichen“, lässt die Nationalbank lapidar jedem ausrichten, der wissen will, wo der staatliche Goldschatz zu finden ist. Nur so viel: „Allgemein kann lediglich gesagt werden, dass sich diese zum Teil in eigenen Tresorräumen, zum Teil aber auch an internationalen Goldhandelsplätzen befinden. Selbstverständlich handelt es sich dabei um absolut sichere Lagerorte.“

Aber warum lagert die Nationalbank ihren Goldschatz im geheimen Ausland? „Damit im Fall der Staatskrise oder eines Putsches eine Exilregierung Zugriff darauf hat und nicht die Putschisten“, informiert ein Mitarbeiter der Bank. Öffentlich will er seinen Namen nicht nennen, denn er ist ebenso wie alle anderen Mitarbeiter gemäß § 45 Nationalbankgesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet.

„Aber ein Teil des Goldes ist in der FED geparkt“, lässt er wissen. Die FED, das ist die Federal Reserve Bank in New York. Auch dort ist man wenig auskunftsfreudig. Sprecher Eric Pajonk lässt freundlich ausrichten, dass Gold aus 60 Nationen in den Räumen der Bank gespeichert ist. Ob Gold aus Österreich dabei ist? „No comment.“

Wahrscheinlich ist es. Unwahrscheinlich ist es aber, zu erkennen, welches der 6200 Tonnen der Nationalbank gehört. Denn anders als im Film „Stirb langsam – jetzt erst recht“ dargestellt, zieren keine Nationalflaggen die gebunkerten Goldbestände. Nur wenige Eingeweihte wissen, welcher Goldbarren wem gehört.

Bald werden sie vielleicht sehr gefragt sein. Denn Hugo Cháves, der unberechenbare Präsident Venezuelas, will die 160 Tonnen Gold seiner Nationalbank repatriieren. „Das Gold soll dorthin, wo es hingehört, nach Venezuela“, ließ er wissen. Eine Maßnahme, die in wirtschaftlich unsicheren Zeiten Nachahmer auf den Plan ruft. Auch die heimische FPÖ fordert den Transport der Goldbestände nach Österreich.

Die waren übrigens bis vor einigen Jahren größer als heute. Und dafür hat auch ein Ex-FPÖler gesorgt. 377 Tonnen, also um fast 100 Tonnen mehr als heute, lagerten im Jahr 2000 im In- und Ausland. Kritiker hatten damals Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser unterstellt, die Nationalbank zu „plündern“, um sein Nulldefizit zu erreichen. Wie dem auch sei: Der Goldpreis lag 2003 bei 340 Dollar, heute liegt er bei 1750 Dollar. Ein Verkauf der 100 Tonnen heute würde um 3,5 Mrd. Euro mehr in die Staatskassa bringen als damals.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung im Februar 2012.